Paule Gruschinsky

Paule Gruschinsky ist der letzte Penner von Berlin-Neukölln. Zumindest bezeichnet er sich selbst so. Seiner Ansicht nach ist der Berliner Penner eine aussterbende Spezies. Das neue schicke Berlin des Geldes, der Szenelokale, der Hipster, Möchtegernkünstler und Schnellberliner (jene, die kaum, dass sie in der Stadt sind, glauben, dass sie mit ihrer physischen Anwesenheit und ihrem Hipsein schon für die Stadt stehen und sich ungeniert als “Berliner“ gerieren) ist nicht mehr seine Welt.

“Wennste die Piepel frachst, die Schnellberliner, wah, wat de Plumpe is und wo se steht, oda wat der Honeckerdiesel war, und die ham keen Ahnung, wah, denn sach ick denen: Hörma, Alta, komm in 15 Jahn wieda, wennste Berlinersein vanünftich jelernt hast und denn reden wa weiter wah. Solange du Pfeife nich weest, wo die Schwangere Auster steht und wat die Mottenpost is, nehm ick dich nich ernst, vaschtehste? Und jetzt verpiss dir!“
Paule ist immer sehr direkt. Die meisten sehen es ihm nach, einige tippen mit dem Zeigefinger an die Stirn und gehen weiter, wenn er motzt, allerdings zeugt eine krumme Nase auch von etwas Widerspruch in der Vergangenheit. Nach der Nasenverkrümmung hat er sich Satan angeschafft, eine schwarze Rottweiler-Pitbullmischung, der gerne schnell mal knurrt und aufspringt und nicht immer nur spielen will.
Jedenfalls fühlt er sich als letzter Mohikaner einer Traditionspflege des gepflegten Abhängens auf Parkbänken in der Hasenheide, dem Görli oder auf dem Hermannplatz. Was Neukölln und Kreuzberg eben zu bieten haben an Sitz-und Abhängemöglichkeiten für den ungepflegten Trinker bei der Alkoholvernichtung. Trinken ist für Paule Alkoholvernichtung. Aber er hat den Begriff abgekürzt und spricht nur von Vernichtung, wenn er trinkt, denn das Wort Alkohol benutzt er nicht. “Alkohol“ klingt ihm zu diskriminierend. Wer Alkohol sage, habe schon Sanatorium und Delirium im Hinterkopf. Er nennt seinen Alk eher “Grölplempe“, “Rülpssoße“ oder “Leberkumpel“. Manchmal auch “Ideengeber“. Er verkostet hauptsächlich die Klassiker: Mampe halb und halb, Persiko und schon vor der Wende holte er sich gern mal einen Nordhäuser Korn in Ostberlin, dem er treu geblieben ist. “Irgendwat musste ja ooch tun für die Ossis, oda? Also denen da ihre Wirtschaft untastützn, wah.“
Mit seiner Definition von Glück ist er voll bei Harald Juhnke: keine Termine und immer leicht einen sitzen.
Zurzeit wohnt er bei Helga, seiner Ollen. Sie hatte ihn irgendwann rausgeschmissen und er musste sein Leben draussen fristen, meist in der Hasenheide oder bei Kälte in der S-Bahn, den S-Bahnring munter in der Runde. Sein Rekord liegt bei neun Mal. Paule ist der festen Überzeugung, mitgezählt zu haben. Leider fing Satan bei der neunten S-Bahnringbewältigung an zu jaulen und Paule musste aus dem warmen S-Bahnwaggon wieder hinaus in die ungemütliche kalte Großstadt.
Wenn er abhängen geht verlässt er die Wohnung wortlos. Helga weiss ohnehin, was Paule den Tag über so treibt: gar nichts, außer vernichten.
Und so sitzt er mit seiner Pulle auf der Parkbank, Satan neben ihm, jeden anknurrend, der seinem Höllenmeister zu nah kommt und sinniert über die Zeiten. Wir haben seine Parkbankgeschichten und Schnapsideen zusammengetragen.